Das Zinsumfeld im Wandel

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Donato Scognamiglio

Bei zunehmenden Leerständen und steigenden Zinsen werden Teile des Immobilienmarkts voraussichtlich unter Druck kommen. Doch wer seinen Gebäudepark bewirtschaftet und weiterentwickelt, muss sich wenig Sorgen machen. Ein Gespräch zwischen Michael Wildhaber, CEO Intercity Verwaltungs-AG, und Prof. Dr. Donato Scognamiglio, CEO IAZI AG.

Michael Wildhaber: In den letzten 25 Jahren sind die Zinsen kontinuierlich gesunken, doch nun erscheint eine Zinswende realistisch. Meldungen von möglichen Zinsanstiegen und dementsprechenden Prognosen mehren sich. Stimmen diese Einschätzungen und steht die Zinswende tatsächlich bevor?

«Unter Druck kommen werden auch Altbauten, die nie saniert wurden.»

Donato Scognamiglio: Viele Zeichen deuten auf einen Zinsanstieg hin. Die Konjunkturprognosen des Bundes sagen ein Wirtschaftswachstum voraus; die BIP-Prognose beträgt über 2 %. Wachstum führt allerdings meist zu einer Inflation. Da eine der Hauptaufgaben der Nationalbank die Preisstabilität ist, wird sie die heute bestehenden Negativzinsen vermutlich schrittweise reduzieren, bis wir wieder in einem Bereich von positiven Zinsen sind.

Michael Wildhaber: Im Rahmen unserer Tätigkeit beobachten wir die Zinsentwicklungen natürlich auch und berücksichtigen allfällige Szenarien, die von einem Anstieg der Zinsen ausgehen könnten. Was denken Sie, wie rasch wird ein allfälliger Zinsanstieg vonstatten gehen?

Donato Scognamiglio: Mit Vorhersagen ist es bekanntlich so eine Sache: Sie erweisen sich im Nachhinein oft als falsch. Doch in der Fachwelt besteht immerhin Konsens darüber, dass die Zinsen wieder steigen werden. Ich persönlich erwarte keine extrem schnelle Entwicklung – andererseits sind Zinsanstiege bisher immer rasch erfolgt. Wenn ich eine Prognose wagen darf, dann würde ich sagen, dass die Zinsen in den nächsten fünf Jahren auf etwa 3,5 % steigen werden. Fürs nächste Jahr rechne ich nur mit einem leichten Zinsanstieg von 0,25 bis 0,5 %. Der generelle Zinsanstieg wird natürlich auch die Hypothekarzinsen beeinflussen. Auch diese dürften in den kommenden Jahren wieder steigen.

Michael Wildhaber: Ein Anstieg der Zinsen, hierbei meine ich die Hypothekarzinsen bzw. den Referenzzinssatz, kann bekanntlich Freud und Leid auslösen. Bestehen Ihrer Ansicht nach auch Risikoszenarien, bei denen der Zinsanstieg rasch erfolgen könnte und wenn ja, von welchen Ereignissen sprechen wir dann?

Donato Scognamiglio: Die Zinsentwicklung bei den Hypotheken kann sich durch unerwartete Situationen verschärfen. Eine ist mit Trumps Politik bereits eingetreten. Die Steuersenkungen in den USA, die dort vorangetriebenen Infrastrukturprojekte sowie die neuen Zölle haben den USA ein Wirtschaftswachstum beschert. Dieses verursacht jedoch die bereits erwähnte Inflation, die international einen Zinsanstieg bewirkt. Dieser wiederum beeinflusst auch unsere Hypotheken. Unvorhersehbar sind zudem Ereignisse wie Kriege und andere Krisen. Eine Eskalation im Nahen Osten könnte zum Beispiel die Zinsen schnell ansteigen lassen.

Michael Wildhaber: Mit einem Anstieg der Hypothekarzinsen ist in den kommenden Jahren also zu rechnen. Auf was sollten sich Investoren, Liegenschaftseigentümer und Bewirtschafter einstellen?

«Wer gut aufgestellt ist, der übersteht wirtschaftlich turbulente Zeiten problemlos.»

Donato Scognamiglio: Es wird zu einer Bereinigung des Immobilienmarkts kommen. Aufgrund der negativen Zinssätze wurden in jüngster Vergangenheit gewisse Immobilien stark überbewertet, da es momentan kaum alternative

Anlagemöglichkeiten gibt. Doch wenn die Hypothekarzinsen wieder steigen, kommen solche Immobilien als Erstes unter Druck. Bei einer Neubewertung durch die Bank kann sich dann herausstellen, dass ein solches Objekt deutlich an Wert verloren hat. Die Eigentümer müssen darauf ihr Eigenkapital aufstocken, also Geld einschiessen – oder aber verkaufen. Unter Druck kommen werden auch Altbauten, die nie erneuert bzw. saniert wurden. Wer hingegen seine Immobilien gut unterhalten hat und vorausschauend plant, muss sich wenig Sorgen machen. Immobilien sind langfristige Anlagen: Wer gut aufgestellt ist, der übersteht wirtschaftlich turbulente Zeiten problemlos.

Michael Wildhaber: In diesem Kontext verspüren wir bereits heute schon leichte Veränderungen in gewissen Teilmärkten. Von einigen unserer Vermarktungsorganisationen wissen wir, dass zurzeit wieder mehr Liegenschaften auf den Markt gelangen. Noch lassen sich gute Preise erzielen; ob das künftig für Liegenschaften an allen Lagen gilt, darf infrage gestellt werden. Gleiches gilt für die Vermietbarkeit: Wir rechnen damit, dass trotz Zinsanstieg die Wohnungspreise unter Druck geraten und wir in der Wiedervermietung mit längeren Absorbationszeiten rechnen müssen.

«Um als Vermieter konkurrenzfähig zu bleiben, ist eine professionelle Bewirtschaftung der Liegenschaften unbedingt notwendig.»

Donato Scognamiglio: Viele Immobilienbesitzer fokussieren heute zu sehr auf die momentanen Renditen. Wie viel man für eine Liegenschaft künftig bekommt, ist allerdings ungewiss. Der hypothekarische Referenzzinssatz reagiert träge, da er nicht nur die neu abgeschlossenen Hypotheken berücksichtigt, sondern auch bestehende. Wenn die Hypothekarzinsen steigen, dauert es durchaus ein paar Jahre, bis der Referenzzinssatz wieder steigt. Und selbst dann ist nicht klar, wie weit sich die Mieten erhöhen lassen. So kommt es zum einen auf die Marktgegebenheiten an. Ist zum Beispiel die Leerstandsquote an einer bestimmten Lage hoch oder eine Liegenschaft alt und nicht gut unterhalten, lässt sich kaum mehr Miete verlangen. Zum anderen werden mietrechtliche Aspekte eine Rolle spielen. Wurden die Mietzinse in den vergangenen Jahren bereits erhöht, um ein marktgerechtes Niveau zu erreichen, dann können Mieter eine weitere Erhöhung anfechten. Um als Vermieter konkurrenzfähig zu bleiben, ist eine professionelle Bewirtschaftung der Liegenschaften unbedingt notwendig.